Ärztinnen und Ärzte dürfen eine Behandlungsmaßnahme bzw. eine Beratungsleistung unter bestimmten Voraussetzungen über Kommunikationsmedien durchführen, auch wenn keiner der an der Beratung oder Behandlung beteiligten Ärztinnen oder Ärzte im persönlichen Kontakt mit der Patientin oder dem Patienten steht oder stand. Die Ärztin bzw. der Arzt hat jeweils in Bezug auf den einzelnen Behandlungs- bzw. Beratungsfall unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände zu prüfen, ob dieser für eine ausschließliche Fernbehandlung geeignet ist.
Hinweis!
Die telemedizinische Beratung und Behandlung (Fernbehandlung) unterscheidet sich von der Behandlung im unmittelbaren persönlichen Kontakt. Sie hängt von der Qualität der Daten- bzw. Informationsübermittlung des jeweiligen Kommunikationsmediums ab. Bei der Beurteilung ist insbesondere zu beachten, dass Ärztinnen und Ärzten bei einer ausschließlichen Fernbehandlung nicht alle Sinne und erforderlichen Untersuchungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, um sich ein unmittelbares und umfassendes Bild von Patientinnen und Patienten zu verschaffen. Selbst das Hören und Sehen lässt sich über Kommunikationsmedien mitunter nur eingeschränkt abbilden.
Die Pflicht zur Bewertung des Einzelfalls gilt für jeden einzelnen Schritt der Beratung oder Behandlung. Ist die Diagnosestellung in ausschließlicher Fernbehandlung ärztlich vertretbar, kann es z. B. die erforderliche ärztliche Sorgfalt aber gebieten, die Beratung oder Behandlung erst nach einem unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt fortzusetzen. Ob es im konkreten Einzelfall ärztlich vertretbar ist, die um Rat oder Behandlung ersuchende(n) Patientin oder Patienten ausschließlich aus der Ferne über Kommunikationsmedien zu beraten oder zu behandeln, liegt in der Verantwortung der Ärztin oder des Arztes. Auch während einer begonnenen, zunächst ärztlich vertretbaren ausschließlichen Fernbehandlung kann es vorkommen, dass eine ausschließliche Fernbehandlung nicht mehr vertretbar wird und die Weiterbehandlung im persönlichen Kontakt erfolgen muss. Dieses Vorgehen unterscheidet sich z. B. nicht wesentlich von dem Fall, dass eine Behandlung im persönlichen Kontakt nur unter Zuhilfenahme weiterer diagnostischer Mittel fortgeführt werden kann.
Im Rahmen der Fernbehandlung sind auch Alternativen zu berücksichtigen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können oder die Fernbehandlung wesentlich abweichende Belastungen, Risiken oder Heilungschancen gegenüber der Behandlung im persönlichen Kontakt aufweist, z.B. weil bestimmte Behandlungsmethoden als Fernbehandlung nicht zur Verfügung stehen.
Bezug: Bekanntmachung der Bundesärztekammer. „Hinweise und Erläuterungen zu § 7 Abs. 4 MBO-Ä – Behandlung im persönlichen Kontakt und Fernbehandlung“. Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2020.mbo.fernbehandlung